von Walter Ponten

Unsere Wanderführerinnen waren Sabine und Karen

Wanderfreunde: Angelika, Birgit, Günter, Heidi, Leonie, Lizzy, Melanie, Olga, Walter, Wolfgang

Erster Tag, Samstag 03.08.2024

Die Gruppe traf sich um 14.00 Uhr am Bahnhof in Villach, um von dort mit dem Auto nach Sauris zu fahren. Dazu verteilte sie sich auf Karens Bulli namens Lucy und Sabines kleinen Citroen, auch Knutschkugel genannt. Die Fahrt ging über die Grenze nach Italien und hinein in ein wildromantisches Gebirge mit einer Schlucht, senkrechten Felswänden und dunkelgrünen Wäldern sowie mehreren Tunneln, die wie ein alter Bergstollen aussahen und ohne Befestigung oder Beleuchtung durch den Berg führten. Schließlich erreichten fast alle den malerischen Stausee Lago di Sauris, von dem aus eine kurvige Straße zu unserer Pension „Pa‘ Krhaizar“ führte. Sie lag an einem sonnigen Berghang in etwa 1400 m Höhe, ein malerisches, urgemütliches Holzhaus.    

Ich hingegen genoss folgende Anreise: Da meine Bahnverbindung von Köln nach München insgesamt fast vier Stunden Verspätung hatte (viele Grüße an die deutsche Bahn), nahm ich in Villach ein Taxi und kam in der Pension erst an, als die anderen Teilnehmer bereits beim Abendessen saßen. Die netten Wanderfreunde und die angenehme Atmosphäre des Hauses entschädigten jedoch schnell für meine anstrengende Reise.

Zweiter Tag, Sonntag 04.08.2024

Dieser Tag begann mit einer Yogarunde, die Birgit anleitete und an der alle Frauen teilnahmen. Diese morgendliche Yogaeinheit sollte sich während der gesamten Tour als Ritual bewähren.

Nach dem Frühstück zogen wir los zu unserer Eingehtour. Es ging gemütlich bergauf über blühende Bergwiesen unter anderem voller Arnika, kleiner Sommerenzian, Augentrost und verblühte Küchenschelle zum Monte Rinderperk und weiter auf der Höhe mit Ausblicken immer wieder zum tief unten liegenden See und dem nahen Gebirgskamm der karnischen Dolomiten. Da die Gegend hier zum Teil aus Schieferfels besteht, war das Landschaftsprofil etwas weicher als die typischen Dolomiten. Diese Gegend um Sauris war und ist eine deutschsprachige Enklave, in der wohl noch heute ein urbayerischer Dialekt gesprochen wird.

Nachmittags kamen wir nach Sauris di Sopra, wo wir noch in einem kleinen Restaurant einkehrten und Getränke bestellten. In Verwirrung zwischen persönlichem Kaffeewunsch und italienischen Kaffebegrifflichkeiten trank ich Melanies Kaffee Americano als meinen Cappuccino, was sie mir aber großzügig verzieh.

Nach einem kurzen Regenschauer erreichten wir wieder unsere Pension, um dort zum zweiten Mal zu übernachten. Am Abend feierte die ganze Gruppe unerwartet ein Geburtstagskind: Birgit freute sich riesig über das tolle Lied und die guten Wünsche aller. Der lokale Sekt mundete den Mädels. Die Jungs blieben dem Bierchen treu J

Dritter Tag, Montag 05.08.2024

Nach dem Frühstück fuhren wir mit den Autos nach Forni di Sopra, um von dort mit dem Sessellift erst mal Höhe zu gewinnen. Die sportliche Sabine führte ihre Gruppe, die entsprechend flott unterwegs war, während die geduldige Karen mit den Genusswanderern loszog. Inzwischen hatte sich auch das morgendliche Gewölk verzogen und die Sonne schien. Der Weg führte durch dichten Wald und erinnerte streckenweise an die Eifel. Olga entdeckte eine kleine, grüne Raupe, die mit erstaunlicher Geschwindigkeit einen Seidenfaden hinaufkletterte, der von einem Ast direkt vor uns herabhing. Zur Mittagsrast trafen beide Gruppen zusammen, wobei uns Leonie mit ihrer Heiterkeit bei Laune hielt.

Nachmittags querten wir die Straße am Passo Mauria auf 1298 m Höhe und stiegen ab zur Rifugio Giaf, das wir nach zwei Bachquerungen erreichten. Diese Hütte liegt mitten im Wald auf etwa 1400 m Höhe und entpuppte sich als ein sehr gemütliches Haus. Zum Abendessen gab es Polenta. Wir ahnten noch nicht, dass uns dieses Gericht mit unterschiedlichen Zutaten jeden Abend auf unserer Tour begleiten sollte.

Vierter Tag, Dienstag 06.08.2024

Nach dem Frühstück stiegen wir bei schönstem Sonnenschein in die steile Felsenlandschaft der Friauler Dolomiten auf. Als erstes erklommen wir die Forcella (= Scharte) Urtisiel mit 1990 m Höhe, dann die Forcella Val di Brica 2088 m und als krönenden Abschluss die Forcella dell Inferno mit 2175 m. Jetzt waren wir in der bizarren Felslandschaft der Dolomiten mit ihren Türmen, Mauern und Zacken angekommen.

Heute gingen wir gemeinsam als eine Gruppe, was jedoch im steilen Gelände zu einem stopp and go- Verkehr führte. Nach einem langen Abstieg erreichten wir das einsame Rifugio Flaiban in 1587 m Höhe. Wir waren die einzigen Gäste und hatten auf der gesamten Wanderung heute nur 5 andere Wanderer oder Trailrunner gesehen! Und das in den Dolomiten. Und wir waren im digitalen Nirwana angekommen.

Keine Frage: zum Abendessen gab es Polenta.

Fünfter Tag, Mittwoch 07.08.2024

Nach dem Frühstück machten wir uns in zwei Gruppen auf den Weg. Als Sabine mit der sportlichen Gruppe A startete, hörten wir noch lange die bewegenden Abschiedsgesänge von Gruppe B. Es war emotional. Angelika, Melanie, Heidi und andere hatten die musikalische Leitung der Gruppe übernommen.

Es ging aufwärts zum Passo dell Mus, 2063 Meter hoch, der im oberen Teil unwegsam und steil war (schwarz). Aber oben angekommen bot sich uns wieder ein fantastisches Panorama. Wir erkannten die Marmolada mit ihrer senkrechten Südwand, Civetta und den markanten Monte Pelmo sowie das symmetrische Dreieck des Antelao. Hier machten wir eine Fotopause, wobei Lizzy als die begeisterte Fotografin uns vor der Bergkulisse portraitierte. In Gruppe B sollte sich Wolfgang als Kameramann profilieren.

Abwärts ging es durch ein romantisches, grünes Tal mit tollen Boulderblöcken. An einem erfrischenden Wasserfall machten wir Rast und kühlten uns ab. Weiter ging es das Tal hinab, immer am Bach entlang, der auch zu einer Mittagspause einlud. Paradox war der Name des Tals: Val dell Inferno. Das paradiesisch schöne Flüsschen Meluzzo schlängelte sich durch ein lichtes Birkenwäldchen und gab den Blick auf die aufragenden Dolomitwände dahinter frei.

Am frühen Nachmittag erreichten wir bei schwüler Hitze das Rifugio Pordenone auf 1249 m Höhe. Ein uriges kleines Steinhäuschen lag im Wald mit Blick auf die Berge. Wir wurden von dem coolen Wirtspaar Marica und Ivan verwöhnt. Da es noch nicht spät war, machten sich die Freundinnen Leonie und Lizzy sowie Olga und ich auf den Weg zu einem höher gelegenen Aussichtspunkt, von wo aus man das Wahrzeichen der Friauler Alpen sehen konnte: Campanile de Montania, ein Felsturm, dessen Durchmesser am Sockel geringer ist als in halber Höhe. Eingerahmt von gewaltigen Felsen stand da in einiger Entfernung dieser bizarre Dolomitzacken und trotzte der Schwerkraft. Auf dem Weg zum Aussichtspunkt sahen wir einige Kletterer und kletternde Kinder, die sich in einer senkrechten Wand ausprobierten. Auch später in der Hütte trafen wir einige Klettersportler.

Der aufmerksame Leser wird sicher erraten, was es zum Abendessen gab…und danach setzte ein Gewitter mit starkem Regen ein.

 Sechster Tag Donnerstag 08.08.2024

Gewitter und Regen waren abgezogen und heute stand die Königsetappe auf dem Plan. Es sollten etwa fünf Stunden Gehzeit sein mit 1200 Höhenmetern bergauf und etwa gleichviel bergab.

Wir starteten mit einem frohen Lied der Damen aus Gruppe B in den sonnendurchfluteten Wald. Nachdem wir diesen verlassen hatten, ging es stetig und schweißtreibend bergauf im steinigen und felsigen Gelände. Selbst Leonie, sonst eine sprudelnde Quelle der Heiterkeit, wurde für ihre Verhältnisse still.

Wir überschritten die steile Forcella Leone und rasteten an der unten liegenden Biwakschachtel. Anschließend ging es über die Forcella Montfalcon und der Blick öffnete sich ins nordwestlich gelegene Tal. Wir erkannten Civetta, Monte Pelmo und den Antellao. Ein langer Abstieg begann, der uns schließlich bis in den Talboden führte. Diese Etappe war wirklich fordernd. Die steilen Abstiege im losen Schotter beanspruchten volle Konzentration. In Gruppe B herrschte hier tatsächlich himmlische Stille – nur der eigene Atem war hörbar. Geschenk und Erfahrung zugleich. Birgit nutzte es zur Gehmeditation – wer noch…?

Was für eine angenehme Überraschung, als wir kurz vor dem Rifugio Padova einen Bach überquerten, der an dieser Stelle zu einem Becken aufgestaut war. Olga, Sabine, Lizzy und ich konnten nicht wiederstehen, nach dem Begrüßungsgetränk an der Hütte zurückzukehren an das Gewässer, um in den eisigen See zu springen und uns den Dolomitenstaub abzuspülen.

Das Rifugio Padova war eine dunkle Blockhütte mit rotbemalten Fensterläden und viel Blumenschmuck. Sie sah aus, als würde sie aus einem Märchenfilm stammen. Um die Hütte herum belebten große geschnitzte Holzfiguren, Zwerge, Gämsen und andere Kreaturen die Szene. Im Hintergrund leuchteten eindrucksvolle Dolomitenberge, die von der Abendsonne angestrahlt wurden.

Keine Frage: auch heute Abend gab es Polenta.

Als ich nachts die Toilette aufsuchte, hatte ich auf dem Rückweg die falsche Kurve genommen und landete versehentlich mit meiner Rot leuchtenden Stirnlampe im fremden Gemach. Die Signora empfing mich mit einem Schwall Italienisch, den ich nicht verstand. Aber der Tonfall machte mir klar, dass ich besser den Rückzug antreten sollte.

Siebter Tag, Freitag 09.08.2024

Heute war unser letzter gemeinsamer Wandertag. Nach dem Frühstück stiegen wir bei strahlendem Sonnenschein hoch zur Forcella del Cridola auf 2050 m Höhe. Hier stieg Gruppe A mit Sabine die Scharte zum Monte Cridola weiter hoch. Das Gelände wurde jedoch so steil und mit Geröll durchsetzt, dass Lizzy, Olga und ich an unsere Grenzen kamen. Nur unser Oldie Günter kletterte wie ein junger Gamsbock noch ein Stück hinter Sabine her. Schließlich kehrten wir jedoch um und setzten den Abstieg von der Passhöhe aus fort. Wir tauchten wieder in den Wald ein, beobachteten an der gegenüberliegenden Bergwand eine große Gamsherde und kamen zum Rifugio Giaf. Hier schloss sich unsere große Dolomitenrunde (Anello Dolomiti).

Gruppe A und Gruppe B stiegen nun gemeinsam zum Parkplatz ab und fuhren zurück nach Villach. Im Hotel „Goldenes Lamm“ quartierten wir uns für die Nacht ein, tauschten die verschwitzte und staubige Bergsteigerkluft gegen saubere Kleidung und besuchten die Innenstadt für den letzten gemeinsamen Abend. Wir verabschiedeten uns von Karen und Sabine, die uns so glücklich und mit viel Erfahrung und Engagement durch die Berge geführt hatten. Wolfgang hielt noch eine emotionale Abschiedsrede und Angelika hatte dazu ein Lied geschrieben, das wir alle zum Abschluss sangen.

Eine wunderschöne und ereignisreiche Bergwoche ging zu Ende. Wir hatten eine abwechslungsreiche Tour erlebt und immer wieder verschiedene Klima- und Vegetationszonen von tiefem Wald bis in die karge, schroffe Felsregion durchschritten. Auch die Charaktere der Teilnehmer war unterschiedlich, doch in der Gruppe herrschte immer Fröhlichkeit und Teamgeist. Dank beider Guides erhielten wir einen zusätzlichen Bildungsurlaub mit mannigfaltigen Inspirationen.
Zum Glück durften wir auf jeder Hütte mehr als die regionale „Polenta in Varianten“ genießen. Die Hüttenwirte boten unerwartet stets einen Lunch to go an.

Danke an Alle!

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